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AutorenbildBianca Heinicke

Die Furcht vor Verantwortung: Was unser Umgang mit Tieren über unsere Gesellschaft verrät


Yes, endlich ein neuer Blogbeitrag 💪🏼😅!

Wie ihr vielleicht mitbekommen habt, war ich bis vor kurzem mit meinem Video-Podcast "SinnSafari", den ich gemeinsam mit meinem Freund Timothy betreibe, auf Deutschland-Tour. Was soll ich sagen: Es war einfach der HAMMER!

Allerdings hat mich das Projekt ziemlich eingespannt, da wir wirklich alles alleine organisiert haben und dementsprechend, kam der letzte Beitrag vor über einem Monat 🫣.

Heute ist gefühlt der erste ruhige Tag seit Wochen & ich komme endlich wieder dazu, etwas zu schreiben. Ich wünsche euch nun ganz viel Spaß mit meinen folgenden Worten und freue mich auf euer Feedback. :)




 

Ich habe am 13. Oktober einen Beitrag auf Instagram hochgeladen (hier geht's zu dem besagten Beitrag) und einige Tage später ist mir darunter folgender Kommentar aufgefallen, über den ich intensiv nachdenken musste und der mich dazu bewegt hat, nun diesen Text für euch zu verfassen:


Veganismus: Ein Symptom der Entfremdung unserer Zeit


In unserer modernen Gesellschaft werden Themen wie Veganismus oft auf oberflächliche ethische Fragen reduziert – und viele Menschen begegnen ihnen mit Ablehnung oder Abwehr. Wie oft ich das schon am eigenen Leib erleben musste ...

Kommentare wie „Die Gesellschaft hat doch ganz andere Probleme!“ zeigen deutlich, dass es nicht nur um die Nutzung tierischer Produkte geht, sondern um eine viel tiefere gesellschaftliche Herausforderung. Und dieser wollte ich auf die Spur gehen.

Um ehrlich zu sein, kann ich solche Kommentare und die oberflächliche Betrachtung auf das Thema Veganismus teilweise absolut nachvollziehen. Auch ich musste mich erst zu dieser Tiefgründigkeit des Themas vorarbeiten und habe am Anfang noch ganz anders und viel einfacher auf das Thema geschaut. Bis ich angefangen habe, es selbst zu leben und mich mit mir selbst zu beschäftigen.


Ich musste über den Kommentar (s. o.) wirklich intensiv nachdenken. Ich wollte einen sinnvollen Schluss für mich ziehen, wieso ich der Meinung war, dass ich diesen Worten nicht zustimmte. Und dann konnte ich plötzlich den Zusammenhang zu den Themen, mit denen ich mich aktuell intensiver auseinandersetzte schließen.

Ich bin immer wieder ganz positiv davon angetan, wie intensiv so vieles doch zusammen gehört und miteinander verstrickt ist. Und je mehr man sich in ein Thema reinfuchst, desto klarer werden so viele Verbindungen ganz plötzlich.


Meiner Meinung nach steht der Veganismus nämlich tatsächlich sinnbildlich für einen der Kernkonflikte unserer Zeit:

Das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Verantwortung.


Ich musste direkt an Erich Fromm denken, von dem ich die letzten Monate Werke wie z. B. "Haben oder Sein", "Die Furcht vor der Freiheit" und "Die Kunst des Liebens" las und immer noch lese. Erich Fromm war ein Psychoanalytiker und Philosoph (* 23. März 1900; † 18. März 1980). Ich finde seine Art auf Situationen und die Gesellschaft zu blicken, unglaublich inspirierend und obwohl er schon seit über 40 Jahren verstorben ist, passen seine Ansichten und Aussagen umso mehr auch auf die heutige Gesellschaft. Seine Werke kann ich übrigens sehr empfehlen.

Zeitgleich studiert Timothy unter anderem Bücher von Alfred Adler (* 7. Februar 1870; † 28. Mai 1937) und da wir uns immer über die Bücher, die wir jeweils lesen, gerne austauschen, hab ich mich auch in seine Werke etwas einarbeiten können.

Alfred Adler war ein Arzt und Psychotherapeut. Unter anderem entwickelte er die Individualpsychologie, prägte den Begriff des Minderwertigkeitskomplexes und des Gemeinschaftsgefühls.


Die Gedanken und Ansätze der beiden passen einfach so unglaublich gut zusammen, wie wir in unseren regelmäßigen Gesprächen immer wieder feststellen.



 


Entfremdung und der "Haben"-Modus


Wie ich oben schon kurz angedeutet habe, liebe ich die Werke von Erich Fromm.

Er beschreibt unsere Gesellschaft als eine, die stark auf Konsum und Besitz ausgerichtet ist. (Auf diese Ansicht kam er bereits vor fast 100 Jahren. Wenn man den Konsum von damals mit heute vergleicht, interessiert es mich nur umso mehr, was er über unsere jetzige Gesellschaft und den modernen Konsum im 21. Jahrhundert philosophieren und analysieren würde!)


Dieser „Haben“-Modus führt dazu, dass Menschen Dinge, andere Menschen und auch Tiere als Objekte betrachten, die sie besitzen oder nutzen können. Anstatt uns als Teil eines lebendigen, miteinander verbundenen Systems zu begreifen, nehmen wir uns als isolierte Individuen wahr, die durch Macht und Besitz Sicherheit erlangen müssen. Die Entfremdung, die daraus resultiert, trennt uns nicht nur von der Natur und den Tieren, sondern auch von Mitmenschen, von uns selbst und unserer inneren Freiheit.


Diese Erkenntnis ist für mich wahnsinnig wertvoll. Sie lässt mich begreifen, wie alles zusammenhängt.

Demnach könnte Veganismus in diesem Zusammenhang als Versuch gesehen werden, sich gegen diese Entfremdung zu wehren. Es geht nicht nur um Ernährung, sondern darum, Tiere nicht länger als Ressourcen zu betrachten, die wir für unsere Zwecke ausbeuten. Aber warum fällt es vielen Menschen so schwer, diesen Schritt zu machen oder auch nur darüber nachzudenken?



Adlers Gemeinschaftsgefühl und der Verlust der Solidarität


Hier kommt nun mein zweiter Ansatz, Alfred Adler, ins Spiel. Er bringt uns hier nämlich einen weiteren wichtigen Aspekt: Seine Theorie des Gemeinschaftsgefühls beschreibt die Fähigkeit des Einzelnen, sich als Teil eines größeren Ganzen zu sehen und Verantwortung für andere zu übernehmen. Ein starkes Gemeinschaftsgefühl würde bedeuten, dass wir die Bedürfnisse und das Leid von anderen – seien es Menschen oder Tiere – wahrnehmen und respektieren. Doch wenn dieses Gemeinschaftsgefühl schwach ist, verfallen wir in egoistische Verhaltensweisen. Dies könnte erklären, warum so viele Menschen sich nicht mit dem Leid der Tiere auseinandersetzen oder sogar aggressiv reagieren, wenn sie mit veganen Themen konfrontiert werden. Tief im Inneren (und wahrscheinlich oft unbewusst) erinnert es sie an ihre eigene Isolation und den Verlust an Verbundenheit mit der Welt, um sie herum und zu sich selbst.


Die Furcht vor der Freiheit und die Flucht in autoritäres Denken


An dieser Stelle wird Erich Fromms Werk "Die Furcht vor der Freiheit" besonders relevant. Er argumentiert nämlich, dass viele Menschen Angst vor der Freiheit haben, weil sie bedeutet, Verantwortung für das eigene Handeln und Denken zu übernehmen. Freiheit kann überwältigend sein, weil sie den Einzelnen dazu zwingt, sich selbst und seine Entscheidungen ständig zu hinterfragen. In dieser Unsicherheit suchen viele Menschen Schutz in autoritären Strukturen oder Denkmustern, die ihnen klare Regeln und Hierarchien vorgeben. Anstatt frei und kritisch zu denken, überlassen sie anderen die Verantwortung und halten an traditionellen, oft unreflektierten Werten fest.


Dieses autoritäre Denken zeigt sich auch im Umgang mit Veganismus. Viele Menschen lehnen vegane Ideen ab, weil sie sich von den traditionellen Strukturen und Denkmustern bedroht fühlen, die ihnen Sicherheit geben – sei es der Fleischkonsum, das Nutzen von Tieren für Kleidung oder andere Gewohnheiten. Sie wollen nicht die Verantwortung für die ethischen Implikationen ihres Handelns übernehmen und greifen stattdessen auf vorgegebene, kulturell verankerte Überzeugungen zurück. Der Gedanke, dass Tiere ein eigenes Recht auf Leben und Freiheit haben könnten, fordert ihre Komfortzone heraus und wird somit schlicht und einfach aus den eigenen Gedanken geschoben und nicht weiter berücksichtigt.


Veganismus als Spiegel der gesellschaftlichen Krise


Wenn wir diese beiden Ansätze jetzt einmal zusammenführen, wird klar, dass der Widerstand gegen Veganismus ein Symptom einer tieferen gesellschaftlichen Krise ist.

Die Weigerung, das eigene Verhalten zu hinterfragen, die Furcht vor der Übernahme von Verantwortung und die Entfremdung vom Leben und der Natur hängen so eng zusammen. Die Entscheidung, Tiere zu nutzen, ist Teil eines größeren Problems: Der Entfremdung von unserer Umwelt, unseren Mitmenschen und letztlich uns selbst.


Veganismus könnte daher als ein Gegenentwurf zu dieser entfremdeten, autoritären Gesellschaft verstanden werden. Er fordert uns auf, Verantwortung zu übernehmen, nicht nur für unser eigenes Leben, sondern auch für die Lebewesen, die mit uns diesen Planeten teilen. Er erinnert uns daran, dass wir nicht isolierte Individuen sind, sondern Teil eines größeren Ganzen, das wir alle miteinander verbunden sind.


„Leben heißt, sich entwickeln.“


„Leben heißt, sich entwickeln.“ Dieses Zitat von Alfred Adler erinnert mich daran, dass Stillstand nicht unserem Wesen entspricht. Die Fähigkeit, uns weiterzuentwickeln – im Denken, im Fühlen, im Handeln – ist das, was uns als Menschen ausmacht. Veganismus ist nicht nur eine Entscheidung für Tiere, sondern auch ein Schritt in unserer eigenen Entwicklung. Es ist eine Entscheidung, Mitgefühl über Bequemlichkeit zu stellen, Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen und uns bewusst als Teil einer Gemeinschaft zu begreifen – einer Gemeinschaft, die nicht nur Menschen, sondern auch alle anderen Lebewesen und die Natur umfasst.


Alfred Adler hat betont, dass ein gesundes Gemeinschaftsgefühl uns die Fähigkeit gibt, uns mit anderen zu verbinden und deren Bedürfnisse genauso ernst zu nehmen wie unsere eigenen. Veganismus kann genau das fördern: Er hilft uns, uns mit dem Leid und den Bedürfnissen der Tiere zu verbinden und diese nicht länger als minderwertig oder außerhalb unserer moralischen Verantwortung zu sehen. Gleichzeitig stärkt er unser Gemeinschaftsgefühl gegenüber der Natur und zukünftigen Generationen, weil er einen nachhaltigeren und respektvolleren Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten ermöglicht.


Jeder von uns hat die Fähigkeit, seine Werte und Überzeugungen zu hinterfragen und bewusstere Entscheidungen zu treffen. Es bedeutet nicht, perfekt zu sein, sondern sich auf den Weg zu machen, Teil einer Welt zu werden, die von Solidarität, Respekt und Empathie geprägt ist – einer Welt, in der das Wohlergehen anderer unser eigenes Wohlergehen ergänzt, nicht davon getrennt ist.

Um nun noch mal zur anfänglichen Fragestellung zu kommen: Der Kommentar „Die Gesellschaft hat doch ganz andere Probleme!“ verkennt, dass die Art und Weise, wie wir mit Tieren umgehen, eng mit eben genau diesen grundlegenden Problemen unserer Zeit verbunden ist: Der Verlust von Empathie, Solidarität und Verantwortung.


Wenn wir uns trauen, alte Muster zu durchbrechen und uns mit den Konsequenzen unseres Handelns auseinanderzusetzen, dann nehmen wir aktiv am Prozess des Lebens teil. In diesem Sinne ist Veganismus nicht das Ziel, sondern ein wichtiger Schritt auf unserem Weg zu einer gerechteren und nachhaltigeren Welt – für alle Lebewesen und für die Gemeinschaft, zu der wir alle gehören.


Die Frage ist nicht, ob wir etwas verändern können. Die Frage ist: Sind wir bereit, die Verantwortung für unsere eigene Entwicklung zu übernehmen? Denn Leben heißt: sich entwickeln – und eine Gemeinschaft schaffen, in der alle ihren Platz haben.

Ein Schritt in Richtung Verantwortung


Veganismus ist mehr als nur eine Ernährungsweise. Er symbolisiert die Notwendigkeit, uns aus der Entfremdung und dem autoritären Denken zu befreien und ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln. Indem wir Tiere als Lebewesen mit eigenen Rechten anerkennen, machen wir einen Schritt hin zu einer Gesellschaft, die Verantwortung übernimmt – für alle Lebewesen und für den Planeten. Die Frage ist nicht, ob wir andere Probleme haben, sondern ob unser Umgang mit Tieren nicht eines der zentralen Symptome der tieferen Krisen unserer Gesellschaft ist.


Abschließend sind mir folgende Worte noch sehr wichtig:

Ich bin absolut nicht perfekt. Ich blicke in einigen Bereichen sicherlich auch noch zu egoistisch und mit zu wenig Verantwortung auf mein Leben und Handeln. Ich könnte an einigen Stellen sicherlich auch gemeinschaftlicher denken und handeln. Aber ich liebe es, mich mit all diesen Dingen ganz tief und kritisch auseinanderzusetzen. Solche Gedanken sind für mich Gold wert und bringen mich immer einen Schritt weiter. Sie lassen mich tiefe Zusammenhänge für mein Leben auf dieser Erde begreifen. Und je mehr und intensiver ich mich mit solchen Gedanken auseinandersetzte, desto mehr integriere ich neue Muster, Verhaltensweisen, Gedanken und Gewohnheiten in mein Leben. Diese oft kleinen Veränderungen fallen einem isoliert gar nicht auf. Bis man sich die Zeit nimmt, in die Vergangenheit schaut und entdeckt, was für eine wahnsinnige innere Reise man geschafft hat. Das ist oft mein Antrieb, mich immer weiter zu entwickeln, mich mehr mit Themen rund um das Leben, die Gesellschaft und mich auseinander zu setzten und zu lernen.

Vielen Dank, dass du meine Worte bis zum Schluss gelesen hast. Mich würde sehr deine Meinung zu dem Thema interessieren.


In Liebe, deine Bianca

4.273 Ansichten7 Kommentare

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7 Kommentare


Howrse100
Howrse100
02. Dez.

Ein sehr guter Beitrag, welcher zum nachdenken anregt. Ich habe mehrere Gedanken dazu: - Das streben nach Perfektion und die gesellschaftliche Beurteilung hindert uns daran neue Wege einzuschlagen. Online sehen wir es oft, jemand verkündet nun sich vegan(er) ernähren zu wollen oder minimalistischer Leben zu wollen und direkt gibt es Kommentare warum nicht auch xy gemacht wird. Selbst bei positiver Veränderung wird zuerst darauf geschaut was alles noch nicht verändert wurde.

  • "Denn Leben heißt: sich entwickeln – und eine Gemeinschaft schaffen, in der alle ihren Platz haben." : In unserer Gesellschaft fühlen sich nicht alle Menschen dazu gehörig. Viele entwickeln Gedanken, wenn sie selbst gewisse Rechte augenscheinlich nicht besitzen, warum sollten es dann andere.

  • In einer Welt die medial vorrangig von…

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Sarah Liv
Sarah Liv
01. Dez.

Hey Bianca,

danke für deinen Text. Ich freue mich wirklich jedes Mal sehr, wenn du einen Blog-Beitrag veröffentlichst und nehme mir dann auch ganz bewusst Zeit, ihn intensiv zu lesen und mich damit auseinanderzusetzen. Ich finde die Sichtweisen super spannend und kann davon so viel mitnehmen, auch wenn ich bereits vegan bin. Auch die Bücher, aus denen du Inspiration gewonnen hast, werde ich mir definitiv mal anschauen. Extrem passend finde ich auch das Zitat von Mahatma Gandhi zu dem Thema: „Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandeln“. Auch dieser Satz zeigt, dass es eben ganz und gar nicht das Letzte sein sollte, womit sich die Gesellschaft beschäftigt, weil es laut…

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ixenander TV
ixenander TV
01. Dez.

Ein unfassbar toller Beitrag!

Vielen Dank<3

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Dunja Zytelewski
Dunja Zytelewski
28. Nov.

Danke für den tollen Beitrag: Vorab merke ich, dass du dich sehr unter Druck gesetzt hast dein eigenes Ziel, einen Blogbeitrag hochzuladen, zu erreichen. Es ist nicht wichtig wann du diesen Beitag postest. Und das schlechte Gefühl dahingehend doch eigentlich ein Beigeschmack, welcher schade zu fühlen ist? Oder nicht? Ein kritischer Gedanke hinter Veganismus ist ja aber darüber hinaus zusätzlich, die Annahme, dass dem eigenen Körper durch die fehlenden "Stoffe" geschadet wird. Wie denkst du darüber? Liebe Grüße, Dunja

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paula.scheu
27. Nov.

Danke für den tolles Beitrag. Als Ernährungsberaterin und Stressspezialistin spiegeln sich deine Worte total wieder in dem was ich von meinen Patienten höre. Das Thema eigen Verantwortung ist so extrem präsent und immer wieder spüre ich, dass die fehle Verantwortung die Bremse im Leben der meissten Menschen ist. Sie komme oft zu mir mit dem Mindset „Mach mal weg“ und versuchen mir die Verantwortung zu übertragen, dass ich ihre Probleme löse und sie auf den „richtigen“ Weg bringen kann, auch für mich war es ein langer Weg zu erkennen, dass dies eben nicht meiner Verantwortung liegt und wenn ich dies versuche ich den Menschen auch einiges nehmen kann.

Vielen Dank für den tollen Denkanstoß, den Veganismus als Symbol bzw. Als…

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